Russell Willcox



Russell Willcox with his famous Duoflex at full drawn. Note the working recurve! From ELMER (1952: f. 160)   © Falk 2008

Durch eigenartige Zufälle scheint sich eben alle Welt mit einem meiner persönlichen Helden zu beschäftigen: Russell Willcox – und Aufmerksamkeit verdient hat er auf jeden Fall! Seltsam ist nur, daß sich das Interesse jetzt gleichzeitig und aus völlig verschiedenen Richtung erhebt. Aus meiner Korrespondenz in diesem Fall hier ein paar Gedanken für alle zum Mitlesen, bitte sehr:

"Duoflex" sensu Russell Willcox

Duoflex profile braced and unbraced. From ELMER (1952: f. 145)   © Falk 2008 Gemäß Elmer (1952: 172) war es Willcox ganzes Bestreben in seinen Duoflex wirklich jeden Zentimeter des Bogen arbeiten zu lassen und das Holz (Osage mit Hickory Backing) überall in gleicher Weise (hoch) zu beanspruchen. Im Gegensatz zu den statischen Recurves seiner Zeit, in denen ja nur der Wurfarm arbeitet, besitzen die "Duoflex" von Willcox einen voll arbeitenden Recurve (Elmer 1952: 205). Hier liegt meiner Meinung nach der wirklich bedeutend Unterschied zu vorher und die Wurzel der Namensgebung:

zwei flexende/arbeitende Zonen   =>   1) Wurfarm (sensu stricto)   und   2) Recurve   =   Duo-Flex

Nach meinem Verständnis bezeichnet der Begriff "Duoflex" (sensu Willcox) genetisch also durchaus das funktionelle Verhalten des Bogen und gründet sich auf den zusätzlich arbeitenden Recurve. Auch die minutiöse Beschreibung der Charakteristika und insbesondere des Recurve eines Duoflex durch Elmer (1952: 202 ff.) macht dessen Neuartigkeit deutlich. Andererseits ist noch eine weitere Deutung denkbar, die mit dem Deflex-Reflex-Design (wie man es heute nennt) zu tun haben mag – vielleicht liegt die Wahrheit auch irgendwo dazwischen!?
Elmer (1952: 202) führt aus, daß bis auf einen assyrischen und wenige indianische Bogen, das deflexe Konstruktionsmerkmal nicht bekannt (d.h.: gebräuchlich) war. Das Profil des "Duoflex" war also neu. Wo bisher grundsätzlich ein "set-back" gewünscht war, baute Willcox einen Deflex (nach heutigem Verständnis) ein. Somit mag auch dieses neue und andersartige Profil bei der Namensgebung zugrunde gelegen haben?!

    Deflex1-Reflex1   => 1+1 = 2   => Duo-Flex.

Willcox selbst stellt 1960 in einem vom ihm verfaßten Artikel über den Duoflex Bogen einen Bezug zum klassischen Bogenprofil Amors (Cupid) her, mit welchem er anfänglich experimentiert hat. Nun ist Amors Bogen aber ohne Frage schlecht definiert und läßt Spielraum für Interpretationen. Einen wichtigen Hinweis erhält man aber aus Willcox (1960: 26) Aussage "... having learned how to shape a limb and set it, ...". Meinem Verständnis nach könnte man hier set it als "set-it-back" lesen. Das wäre also tatsächlich eine Annäherung an Amors Bogen in der meist assozierten, stark überzeichnete Form eines Recurve, mit einem kräftigen Re-"flex" (set-back) im Griffbereich gewesen. Allerdings geht es im nächsten Satz so weiter: "The inner ends of the limbs were bend forward and the tips recurved ..." Diese Aussage nimmt eindeutig Bezug auf einen ab Griffbereich vorhandenen Deflex, was im Gegensatzt zu Amors "Standardbogen" steht. Wie auch immer, der Prototyp des Duoflex wurde im März 1941 gebaut und war der erste arbeitende Recurve.
Das Design des Duoflex wurde 1940, nach Anregung und Diskussion mit Hickman, entwickelt. Es stützt sich auch auf dessen Recurve-Patent von 1937 (schriftl.Mittl. C.Huntington 05.2008), welches bereits im Juni 1935 beantragt worden war. Dem oben erwähnten Prototyp war nur ein kurzes Leben beschieden, da er bald brach. Alle mir bekannten Abbildungen von späteren Duoflex zeigen eine ± gerade durchlaufende Rückenlinie im Griffbereich, ohne set-back. Damit war die charakteristische Form des Duoflex gefunden.

Beide von mir weiter oben formulierte Lesarten können eine sinnvolle Erklärung für Willcox Wortwahl liefern. Die erste läßt sich funktionell, die zweite descriptiv begründen. Heute auf den Terminus Duoflex eine funktionsmorphologische Definition zu gründen halte ich für überflüssig. Bei seiner Arbeit hat Willcox sicher nie im Sinn gehabt, daß er damit einmal als "Erfinder" eines speziellen Designs in die Geschichte eingehen wird. Doch will man ihm die Ehre antun, dann sollte man seinen Duoflex genau so nehmen wie er ist/war und nichts hinzufügen oder wegnehmen. Man kann sich den Namen "Duoflex" auch ganz schlicht als eine von Willcox hergestellte Modellreihe vorstellen. Dabei lösen sich dann alle Interpretationen in ein Logikwölkchen auf!


Die folgenden Bilder zeigen einen der Duoflex aus Aluminum (75ST). Dem Besitzer des Bogen, Chris Skoczylas, der mir erlaubte sie hier zu benutzten, gilt dafür mein besonderer Dank. Thanks a bunch Chris!

Russell Willcox Aluminum Duoflex Bow   © Chris Skoczylas 2008

Bogen von Russell Willcox, Aluminium Duoflex, 57.5" (ntn), Zuggewicht unbekannt.


Russell Willcox Aluminum Duoflex Bow disambled   © Chris Skoczylas 2008 Russell Willcox Aluminum Duoflex Bow Sleeve-and-Socket T/D System   © Chris Skoczylas 2008 Das linke Bild zeigt wunderbar, daß bei zerlegtem Bogen beide Hälften die Form eines typographischen Fragezeichens haben. So hat es Elmer (1952: 203) schon beschrieben. Rechts ist das Sleeve-and-Socket T/D System der Duoflex zu sehen. An allen Duoflex war die Griffhülse aus Stahl und bis zu einem gewissen Grade nachstellbar, falls das Spiel der Passung sich je vergrößern sollte. Die Holzteile sind jeweils unter der Hülse mit Senkkopfschrauben an den Wurfarmen befestigt. Von einem Wurfarmende hat sich hier die aufgepreßte Hülse gelöst und steckt in der Griffhülse fest. Vorne oben befindet sich an letzterer eine Schwalbenschwanzführung. Vermutlich wurde hier ein Visier aufgesteckt.



Literatur

ELMER, R.P. (1952): Target Archery. –  428 p., 34 pls., text figs.; London, New York, Melbourne, Sydney, Cape Town (Hutchinson).
HICKMAN, C.N. (1937): US Patent No. 2100317. –  6 p., 19 figs.
WILLCOX, R. (1960): The Duoflex Bow. – In ANDERSON, J.W. (Ed.): TAM – The archers' magazine, Vol. 9 (9): 26-27; Norristown, PA.