Chiroptera

Fledermäuse


Plecotus auritus; {1}   © Falk 2009 Fledermäuse verursachen vielen Menschen Furcht und Abscheu. Eventuell liegen die Wurzeln dafür in prophezeitem Höllengewürm und anderem christlich motiviertem Aberglauben?! Tiere der Nacht wurden vom Klerus ja oft als Sinnbild für das Böse mißbraucht. Ich erinnere mich, daß noch vor etwa 25 Jahren ein hiesiger (ev.) Pastor davor gewarnt, ja es quasi verboten hat, daß Kinder (oder Erwachsene) die wirklich nette TV Sendung "Der Kleine Vampir" schauen denn, "das wäre Teufelswerk!"   Man glaubt es kaum, aber dennoch ist es leider wahr! Welche Stilblüten müssen solche Verirrungen dann erst im katholischen Süden treiben ...?!

Mir sind Fledermäuse schon seit Kleinkindertagen sympathisch! Sie haben mich immer faziniert und ich habe es stets bedauert, daß man sie nur so selten sehen und eigentlich kaum hören kann.
Von den 18 einheimischen Chiroptera-Species kommen einige in unserer Nachbarschaft vor. Ohne Ultraschall-Detektor ist ihre Bestimmung nicht immer einfach, aber die gängigsten Arten lassen sich auf die ein oder andere Weise schon unterscheiden. Am einfachsten ist das freilich, wenn sie ausnahmsweise einmal der direkten Beobachtung zugänglich sind. Da ich in der glücklichen Lage bin mit meinen Kellerräumen ein Fledermaus-Winterquartier zu besitzen, kann ich gelegentlich auch solche Beobachtungen machen. In den seltenen Fällen, daß man einmal tote Tiere findet, sollte man nie die Gelegenheit auslassen, sie sich ganz genau anzuschauen (s.unt.).
Meine persönlich "totesten" Chiropteren sind mir im eozänen Ölschiefer der Grube Messel begegnet, wo ich zu meinen Studentenzeiten einige Wochen an einer Forschungsgrabung der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft* teilgenommen habe. Aber das ist eine andere Geschichte ...
[* Man hat es leider für nötig befunden (ohne meine Stimme!) die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft kürzlich in "Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung" umzubenennen. Warum traditionsreiche Namen einer unnützen Modernisierung geopfert werden, entzieht sich völlig meinem Verständnis.]

Meine zufälligste Begegnung mit einer Fledermaus dürfte jene gewesen sein, die ich auf dem Gipfel (ca. 950m ü.N.N.) eines aragónesischen Höhenzuges hatte. Kartierend und mich darum stetig nach Handstücken bückend, hatte ich urplötzlich ein Fledertier vor mir, daß zwischen zwei Sandsteinplatten eigentlich den Tag verschlafen wollte. Ich denke, die Überraschung war gewiß beidseitig!? Obwohl mir sofort klar war welche Gelegenheit sich hier bot, mochte ich nicht unüberlegt mit bloßen Händen zugreifen, da ich keinesfalls gebissen werden wollte. Die zwei Sekunden die das Abwegen meiner Alternativen dauerte, reichten schließlich dem rüde geweckten Fledertier, sich seinerseits aufzurappeln und sich mit einem Sturzflug ins Tal abzusetzen. Alles was diese blitzartig erfolgte Begegnung neben einem breiten Grinsen in meinem Gesicht noch hinterlassen hat waren folgende Charakteristika: sehr groß, schlanke Flügel, rasanter Flieger, mit einer Vorliebe für Felsspalten. Vielleicht war es ja sogar eine seltene Bulldoggfledermaus?!

Die Krähen-großen Flughunde Sri Lankas stellen das obere Ende meiner Fledertier-Sichtungen dar. Die abends in die blühenden Palmen einfallenden "Waulas" fand ich großartig! Tagsüber sah man dann gelegentlich ein Exemplar, daß in einer Stromleitung den Tod gefunden hatte, oder als "Vogelscheuche" im Garten aufgehängt war. Leider gelang mir mit Rücksicht auf meine Begleitung nie eine close inspection.

Anders verhält es sich da mit dem kleinsten Vertreter, der Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus). Wenn ich oben auf den Klerus geschimpft habe, dann ist die folgende Geschichte eine der wenigen Ausnahmefälle, wo ich einen seiner Vertreter mal loben möchte!
Der Pastor der Gemeinde findet eines Tages eine winzige Fledermaus. Das es sich um ein Jungtier handeln muß ist ihm klar und er bringt es zu uns da er weiß, daß wir uns auf Haltung, Pflege und Aufzucht jegliche Art ungewöhnlichen Getiers verstehen. Soweit so gut! Aber, ein Zwergfledermaus-Säugling sprengt den gewöhnlichen Rahmen! Es gibt keine praktikable Möglichkeit einen solchen Winzling zu füttern. Nach Fledermausart mit dem Kopf nach unten, an den Daumennagel meiner linken Hand angehängt, erreichte die Nasenspitze des Jungtieres eben gerade die andere Seite des Daumennagels! So kann ich auch heute noch problemlos die Gesamtlänge mit nur 15mm angeben.
Obwohl das Jungtier noch nicht über voll entwickelte Flughäute verfügte, war es nachts aus seinem Behältnis ausgebrochen und wurde am nächsten Morgen glücklicherweise von mir auf dem Fußboden wiedergefunden, ohne Schaden genommen zu haben. Chancenlos selbst etwas zu erreichen, beschloß ich mir den Fundpunkt zeigen zu lassen, um das Tier dort in erhöhter Position für seine Mutter erreichbar zu deponieren. Als der Pastor mir die Stelle am Fuße einer mit Dachpfannen verhangenen und West orientierten Hauswand zeigte, konnte ich dort sofort noch ein zweites Exemplar auflesen! Beide Tiere übergab ich mitsamt Transportgefäß der Obhut des Pastors. Er versprach, sie abends auf der Fensterbank im zweiten Stock gegenüber des Fundpunktes offen zugänglich zu machen, so daß ihre Elterntiere sie eventuell auffinden könnten. Der Pastor selbst warte dann am offenen Fenster in eine Decke gehüllt auf die Nacht. Und tatsächlich, mit der Dämmerung kamen die Mütter der Findlinge, um sie abzuholen! Mission accomplished! Gut gemacht!
Leider habe ich nicht ein Photo von diesen Jungtieren. Ich besaß damals zwar eine analoge Kompaktkamera, aber beim nötigen Arbeitsabstand und der (mangelnden) Größe der Objekte, mußte das mögliche Ergebnis von vornherein als völlig unbrauchbar gelten, so daß ich den Film gespart habe.


Plecotus austriacus; {1}   © Falk 2009
Graues Langohr (Plecotus austriacus) {1}
Plecotus auritus; {1}   © Falk 2009
Braunes Langohr (Plecotus auritus) {1}
Ohne direkten Vergleich sind Graues Langohr und Braunes Langohr kaum auseinanderzuhalten. Die Photos oben zeigen neben den geringen farblichen Unterschieden aber auch die deutlich verschieden langen Daumen beider Langohr-Arten. Beim Gr. Langohr ist der Daumen kurz und kräftig, beim Br. Langohr ist er zarter und länger entwickelt (vgl. unt. Abb.). Die wirklich beeindruckend langen Ohren sind bei den schlafenden Tieren immer nach hinten umgelegt und unter die Arme geklemmt. Was wie ein kleines spitzes Ohr aussieht ist tatsächlich nur der Tragus des selben. Relativ selten hängt eine Langohr-Fledermaus frei (wie hier das Br. Langohr re. und ganz ob.); gewöhnlich findet man sie direkt an einer Wand hängend.
Plecotus auritus; {1}   © Falk 2010
Braunes Langohr (Plecotus auritus) {1} in typischer Schlafhaltung an einer Wand, direkt unterhalb des Knies zur Decke. Weil es ihm etwas mehr Sicherheit bietet, ist das Braune Langohr hinter einen Kabelkanal gekrabbelt.
Zum besseren Verständnis habe ich hier manches beschriftet. Gut zu erkennen ist links der gegen die Wand abgespreizte Daumen (vergleiche mit Gr. Langohr oben) sowie das nach hinten umgelegte Ohr. Immer wieder überraschend ist das allgemein sehr lange Haarkleid der Fledermäuse. An manchen Haarspitzen kann man dunkle Kondenswassertröpfchen erkennen.
Plecotus austriacus; {12}   © Falk 2012
Links ein Graues Langohr (Plecotus austriacus) beim Beziehen des Winterquartiers. In diesem letzten wachen Moment lassen sich die riesigen Ohren einmal bestaunen, bevor sie für lange Zeit unter den Flügeln verschwinden. Auf diesen Anblick mußte ich sieben Jahre warten ...!
  {12} [70mm Macro, F8, remote Background Flash, fill-in Camera Flash]


Beachtenswert ist der Umstand, daß die Langohr-Fledermäuse in meinem Keller (gewöhnlich) erst auftauchen, wenn die Temperaturen draußen unter -10 °C fallen! Bis dato genutzte Verstecke bergen dann offensichtlich die Gefahr des Erfrierens. So sind die Langohr-Fledermäuse gezwungen ihre Winterruhe zu unterbrechen, ihren Kreislauf auf Flugtemperatur zu bringen und in meinen Keller umzuziehen. Diese Energieverschwendung mag manchem Tier das Leben kosten, zumal sie bei den ersten Plusgraden bald wieder aus meinem Keller verschwinden (s.unt.), ohne das wirkliche Ende des Winters abzuwarten. Dieses Winter-Zugverhalten konnte ich auch im Keller eines Nachbarn beobachten, der ebenfalls erst im Hochwinter von Langohr-Fledermäusen bezogen wurde, um bald darauf wieder verlassen zu werden.
Die Standortträue der Plecotus-Arten ist ebenfalls bemerkenswert. Seit Jahren handelt es sich bei meinen Wintergästen immer um die selben Individuen!


Pipistrellus, Myotis and Eptesicus give a good example of possible sizes in our native bats   © Falk 2010
Nun zu etwas weniger erfreulichen Anblicken, nämlich zu tot aufgefundenen Tieren. Im Photo alle von der Bauchseite gezeigt und v.l.n.r.:

  Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathusii)
  Wasserfledermaus (Myotis daubentoni)
  Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus)

Mit den drei hier auf Millimeterpapier gezeigten Arten ist das mögliche Größenspektrum einheimischer Fledertiere recht gut abgedeckt. Die kleinste Art, die Zwergfledermaus (P.pipistrellus), erreicht in etwa die Größe der Rauhhautfledermaus und die Breitflügelfledermaus gehört mit zu den größten Arten. Die Langohren sind etwas größer als die Wasserfledermaus. Alle abgebildeten Tiere wurde von mir zu unterschiedlichen Zeiten und Gelegenheiten auf dem eigenen Grundstück gefunden. Die Wasserfledermaus z.B. hat den Fehler begangen, sich zwischen Heu- und Strohballen im Pferdestall zu verstecken und wurde schließlich von einem Ballen erdrückt.

[Ich lagere diese drei Exponate in der Kühltruhe. Dies und die unten nachfolgenden 3D-Photos sind darum auch bei Minusgraden im Freien entstanden. Hier und da kann man deshalb Schneeflocken auf dem Pelz entdecken!]

leftover from Hobby Falcon prey: still articulated Nyctalus noctula wings    © Falk 2011
Hier handelt es sich um einen Beuterest 'meiner' Baumfalken, an dem ich die Jungvögel habe kröpfen und eine ganze Weile lang herumziehen sehen. Das spricht Bände über die Widerstandsfähigkeit der Sehnen und Flughäute! Dummerweise hat jedoch die begleitende Flugkunst nicht ausgereicht, um den Alt-Falken zu entgehen. So etwas paßiert eben, wenn man sich noch bei "Büchsenlicht" hervorwagt ...!

Im Gelände habe ich mir bereits gedacht, daß es sich hier wohl um einen Großen Abendsegler gehandelt haben muß. Da noch relativ frisch, wurde er sicherlich in der Morgendämmerung geschlagen. Die immer noch über einen Teil der Flughaut artikulierten Reste wurden von mir nach Haus getragen, um sie nach eingehender Untersuchung und Vermessung genau bestimmen zu können:

Großer Abendsegler (Nyctalus noctula)

  {8} [170mm, F5, 1/640s]

3D red cyan Anaglyph, detail of tail and feet of Myotis daubentoni   © Falk 2010
  3D rot-cyan Anaglyph

Wasserfledermaus (Myotis daubentoni).
Detail der Schwanzflughaut und der relativ großen Füße. Charakteristisch sind zudem die langen Borsten an den Füßen. Die Armflughaut setzt an der Zehenbasis an und nicht etwa an der Ferse. Zum Schwanz hin wird die Flughaut durch den sogenannten Sporn aufgespannt, der hier leicht bogenförmig gut erkennbar ist. Die Schwanzflughaut ist oben unbehaart und schließt die Schwanzspitze mit ein. Bei der Breitflügelfledermaus liegen beispielsweise die letzten zwei Schwanzwirbel frei; ein gutes Bestimmungsmerkmal, denn das kommt nur selten vor.

3D stereopair for parallel view. Close up of the impressive teeth of Eptesius serotinus.   © Falk 2010
↑↑ 3D, paralleles Stereopaar

Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus).
Durch Mumiefizierung sind die Lippen stark geschrumpft und zurückgezogen, so daß ein Blick auf das beeindruckende Gebiß möglich ist. Man erkennt die typische Bezahnung eines insectivoren Säugetiers, ähnlich dem eines Maulwurf oder dem einer Spitzmaus. Spätestens hier sollte man merken, daß Fledermäuse aber auch gar nichts mit den eigentlichen Mäusen zu tun haben.

3D red cyan Anaglyph, detail of mouth and teeth of Eptesicus serotinus   © Falk 2010
  3D rot-cyan Anaglyph

Die Bezahnung der Breitflügelfledermaus noch einmal von vorn. Da möchte man keine Motte sein! Man beachte die Schneeflocken ;-)





Die folgenden Bilder möchte man eigentlich nicht sehen, aber wir verdanken sie "Mutter Natur" und müssen sie darum leider akzeptieren.

Wie weiter oben bereits erwähnt kann ich bei meinen Plecotus sp. auch im Winter Aktivität feststellen, sobald die Temperaturen auch nur über den Gefrierpunkt steigen. Das das nicht immer eine gute Idee ist sehen wir an dem Exemplar, das ich heute im Gras auf dem Hof gefunden habe. Es muß nur Minuten* zuvor von einem Beutegreifer er-/zerlegt worden sein.
An diesem Januar-Tag herrschten 8 °C, aber es war erst drei Tage her, daß wir 15cm Schnee sowie Nachttemperaturen von -15 °C und Tagestemperaturen von -10 °C hatten.

Nach dem traurigen Fund habe ich zwei Minuten gebraucht, um die Kamera zu holen. Als ich wieder auf den Hof komme, sehe ich zwei Elstern (Pica pica), die offenbar genau um das tote Langohr wissen. Ich nehme an, daß sie diejenigen sind, die dieses Individuum erbeutet haben – möglicherweise als es dabei war sich ein neues Quartier in einer Mauerspalte meiner Werkstatt zu suchen.

Ich kann unsere Katze als Täter ausschließen, denn sie hat ein Alibi. Außerdem zerbeißen Katzen gewöhnlich den Kopf kleinerer Mäuse (d.h., Nager) und trennen ihn nicht vom Rumpf, so wie hier vorgefunden, also schließe ich auch Nachbars Katzen aus. Ein Sperber hätte seine Beute mitgenommen, bzw. sie in der Deckung gekröpft und nicht mitten auf unserem Hof. Gleiches gilt für Turmfalken oder Schleiereulen; auch bei ihnen hätte ich gar nichts finden dürfen. Elstern hingen müssen ihre Beute mit dem Schnabel "zerhacken". Sie wären auch in der Lage gewesen die Fledermaus aus ihrem Versteck hersauszuholen, wenn sie sie erst einmal entdeckt haben. Und sie hätten die Dreistigkeit sie gleich an Ort und Stelle zu "verarbeiten".
Als ich die Tür öffnete, um auf den Hof zu gelangen, werden sie aufgeflogen sein, ohne daß ich sie in diesem Moment hätte sehen können. Als ich die Kamera holen ging kamen sie direkt zurück, um sich weiter um ?ihre Beute zu kümmern. Sie sind dringend tatverdächtig, aber es bleibt ein Indizienprozeß ...
Colour-Anaglyph of Plecotus auritus; most likely a Magpie-Victim   © Falk 2016
  Braune Langohrfledermaus   (Plecotus auritus)   {1}   [ZD 35mm Makro | 2016]    
Plecotus auritus;; most likely a Magpie-Victim   © Falk 2016
Braune Langohrfledermaus   (Plecotus auritus)   {1}   [ZD 35mm Makro | 2016]    

Zur "Frische" des Fundes:
Nach dem Fund (~12:45Uhr) und ersten Aufnahmen im Freien habe ich das Braune Langohr mit ins Haus genommen, um mittels Meßschieber einige Maße festzuhalten. Da besonders die Daumenlänge einen charakteristischen Unterschied zum Grauen Langohr bildet, habe ich mit dieser Messung angefangen (~13:15Uhr). Um die Meßschieberspitzen besser ansetzen zu können habe ich die Daumen abgespreizt. Als ich eben mit der Messung am linken Daumen fertig bin, da fängt er an zu zucken! Das grausige Spektakel hat wohl 1-2min. angedauert. Ich habe zwei Augenzeugen dafür ...!

Meßwerte:
Daumen: li. 7.3mm, re. 7.5mm
Tragus: li. 14.8mm, re. 15.0mm
Ohr: li. 34.7mm, re. 35.5mm
Unterarm: li. 37mm, re. 37mm
Schwanz: 40.5mm
einfache Flügelspannweite: re. ~116mm
Plecotus auritus; most likely a Magpie-Victim   © Falk 2016
Braune Langohrfledermaus   (Plecotus auritus)   {1}   [ZD 35mm Makro | 2016]